Die Sonne blendet mich und zwingt meinen Blick zu Boden. Ich schwitze, mein Rucksack ist schwer und ich spüre jede Stunde der vergangenen Nacht, die ich wach im Bett gelegen habe. Ein Schatten fällt auf mein Gesicht, als ich den Häuserblock erreiche, an dessen Ende sich der Eingang zu meinem neuen Zuhause befindet. Zuhause? Zuflucht wohl eher.
Ich hebe die Augen – ganz automatisch. Und ich erstarre.
Jakob.
Sein Gesicht im Mondlicht. So jungenhaft und hinreißend unschuldig, wie nur der Schlaf es formen kann. Zu gehen war fast unmöglich. Aber ich wusste, zu bleiben würde so viel schmerzhafter sein.
Einen Moment glaube ich, mich geirrt, ihn verwechselt zu haben. Doch dann sehe ich sein Lächeln. Dieses Lächeln, dessen Macht mich selbst auf die Entfernung hin fesselt. Und mit einem Mal spüre ich weder die Müdigkeit noch das Gewicht meiner Einkäufe; alles, was ich spüre, ist nackte Angst. Die Angst vor eben diesem Moment.
Der Geruch fremder Frauen auf seiner Haut. Sein Lächeln, das nicht mir gilt. Seine Lügen, träge und nachlässig.
Aber ich muss ehrlich sein: Größer – viel größer – als die Angst davor, dass er mich findet, war die Angst, er würde nicht nach mir suchen.
Mit mächtigen, entschlossenen Schritten kommt er auf mich zu. Ich sollte wegrennen, sollte mich und mein törichtes Herz in Sicherheit bringen. Doch ich rege mich nicht und kann meinen Blick nicht von seinem Gesicht nehmen. Sein Lächeln ist verschwunden, unter seinen Augen prangen dunkle Schatten, seine Stirn liegt in Falten. Er sieht grauenhaft aus. Und wunderschön.
Einen halben Meter vor mir bleibt er stehen. Mein Herz trommelt so schmerzhaft, als wolle es meine Brust sprengen. Das Atmen strengt mich an. Wie betäubt starre ich in seine Augen, während ein Hauch seines Parfüms an meine Nase dringt und mich zittern lässt. Er tritt noch näher, streckt die Hand nach mir aus und streicht eine Strähne meines Haars hinter mein Ohr.
„Komm nach Hause“, sagt er. „Ich brauche dich.”